Verfeinerung der Natur durch die Kunst
Elias Rubenstein
Die Kabbala bietet einen Schatz an Symbolen und ein umfassendes Konzept für den Weg der Selbsterkenntnis.
Die Symbole der westlichen Mysterientradition, wie auch jene der Rosenkreuzer und Alchemie, sind besonders kraftvoll und bieten einen beschilderten Weg der Selbsterkenntnis. Ihre erhebende Wirkung steht konträr zur sogenannten „therapeutischen Kunst“ von vielen historischen und gegenwärtigen Künstlern. In der „therapeutischen Kunst“ nutzen kreative Handwerker die Kunst um ihre ungelösten psychischen Probleme oder Komplexe zu veräußern. Es ist unbestreitbar, dass das Leben der meisten Menschen mit Problemen und Herausforderungen gepflastert ist. Oftmals sind die mangelnde Seelenentwicklung oder der innere Krieg bzw. Hass in „therapeutischen“ Kunstwerken erkennbar. Viele moderne Künstler neigen dazu zerstörerische, tabubrechende oder abstoßende Kunstwerke zu schaffen, da das sensationsbegierige Publikum nach solchen Objekten giert. Der gegenwärtige Trend fördert solche Kunstrichtungen, die dann in imposanten Museen mit intellektuell überspitzter Anleitung begutachtet werden können. Sofern die Popularität in diesen vermeintlichen intellektuellen Kreisen zunimmt, wandern diese Therapieobjekte in den Wohnstätten und Büros von Interessenten, die damit ihren Luxus oder ihr „kulturelles“ Verständnis zur Schau stellen können. Einige Künstler bleiben in der Problemaufarbeitungsphase stehen und verwechseln Kunstschaffen mit Therapie. Die begrenzte Lebenseinsicht ist hauptverantwortlich für diese destruktiven Kunstströmungen. Eine professionell geführte Psychotherapie könnte hierbei mehr Abhilfe schaffen als eine ziellose „Kunsttherapie“. Dahinter kann oft eine grundlegende Identitätskrise erahnt werden.
Andere Künstler wiederum lassen unbeirrt von Zeitströmungen eine innere seelische Entwicklung in ihrem Schaffenszyklus erkennen. Sinnsuche, religiöse Themen und Ästhetik treten dann in den Vordergrund und stehen im Kontrast zu den jugendlich rebellischen und unkontrollierten Auswüchsen. Sofern Künstler eine innere seelische Transformation erleben und in der Lage sind, diese durch ihr Schaffen auszudrücken, können sie ihren Daseinsauftrag – also ihre Berufung – durch die Kunst verwirklichen. Eine umfassende Selbsterkenntnis geht diesem Streben voraus. Somit können Künstler bewusst entscheiden, ob sie einen wertvollen Beitrag leisten wollen, indem sie für ihre Mitmenschen etwas Konstruktives, Bereicherndes, Sinnhaftes, Ästhetisches und Erhebendes gestalten.
„Was geschehen ist, wird wieder geschehen, was getan wurde, wird man wieder tun: Es gibt nichts Neues unter der Sonne.“ (Prediger 1, 9)
Wenn wir in einer wolkenfreien Nacht den Sternenhimmel betrachten, bei Sonnenaufgang die Meeresbrandung an felsigen Klippen oder einen imposant donnernden tropischen Wasserfall bewundern – dann ist es durchaus verständlich, dass gewöhnliche profane Kunst nicht befähigt ist mit diesen natürlichen Schönheiten zu konkurrieren. Die göttliche Schöpfung hält eine prachtvolle Schönheit bereit, sofern unsere Sinne geschult sind, diese zu erkennen. Demnach ist es ersichtlich, dass die Aufgabe des Kunstschaffenden, nicht darin begründet sein kann, die sichtbare Natur nachzuäffen. Dennoch kann der Mensch eine Fertigkeit entwickeln um höhere geistige Konzepte durch die Kunst zu formulieren.
„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ (Fred R. Barnard, 1921)
Die Natur hat ihre auferlegten Grenzen und kann deshalb nicht jene Mysterien darstellen, welche die Alchemie als die „Verfeinerung der Natur durch die Kunst“ bezeichnet. Sofern der Künstler die Gnade empfängt um diese Mysterien zu ergründen, wird er jenseits der oberflächlichen Erscheinung in das dahinterliegende Sein durchdringen. Diese dahinterliegende Wahrheit kann durch Symbole und abstrakte Darstellungen angedeutet werden. Diese Symbole stellen lediglich einen Hinweis dar, sind jedoch nicht mit der Wahrheit selbst zu verwechseln. Je tiefer die Selbsterkenntnis des Kunsthandwerkers gründet, desto authentischer wird diese dahinterliegende Wirklichkeit ausgedrückt. Die absolute Schönheit dieser Wirklichkeit kann nicht durch die Kunst vollständig dargestellt werden, da die Kunst selbst durch ihre Mittel und ihre Vergänglichkeit begrenzt ist. Allerdings vermag die Kunst eine Dimension zu vermitteln, welche für den Menschen nicht erfahrbar wäre.
Der Begriff „Hermetik“ stammt von Hermes. Hermes ist in der griechischen Mythologie der Vermittler zwischen Geist und Materie. Die Hermetik bewahrt Methoden, um geistige Fähigkeiten zu entfalten, den Sinn des Daseins zu verstehen, mit dem spirituellen Licht verbunden zu werden, als auch um eine innige und dauerhafte Beziehung zum Schöpfer und Eigner des Alls aufzubauen.
Die Weisheitstradition der Hermetik hütet seit Jahrtausenden erprobte Werkzeuge für die spirituelle Entfaltung des Menschen. Ebenso bewahrt die Hermetik überprüfbare Antworten auf die wichtigsten Grundfragen des Lebens.